Am 22. Juni 2023 fuhren wir als Studierende des Schwerpunktbereichs 2 – „Arbeit und Soziales“ gemeinsam mit Professor Dr. Hermann Butzer zum Bundessozialgericht nach Kassel. Da wir Verhandlungen des Zweiten Senates besuchten, standen alle drei Verhandlungen an diesem Tag ganz im Zeichen der gesetzlichen Unfallversicherung.
Den Auftakt machte der Fall eines Mitgliedes der Freiwilligen Feuerwehr, welcher sich mit Hepatitis B angesteckt hatte, was er auf seine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr zurückführte. In der Revision stritten sich der Kläger und die Unfallkasse Rheinland-Pfalz darum, ob es sich bei dieser Hepatitis B-Erkrankung um eine Berufskrankheit nach § 9 SGB VII i.V.m. Anlage 1 Nr. 3101 zur Berufskrankheiten-Verordnung handele. Mit seiner Revision hatte der Kläger abschließend Erfolg. Der Senat stellte fest, dass bei den Aufgabenfeldern des Klägers ein Gesundheitsrisiko hinsichtlich der Kontamination mit Blut und anderen potentiell infektiösen Körperflüssigkeiten bestehe. Den Einsätzen an schwer zugänglichen Orten immanent seien auch kleinste Verletzungen der Hautoberfläche, die auch durch Schutzkleidung nicht gänzlich ausgeschlossen werden können. Eine Kontamination mit Viren sei somit möglich. Der Kläger war folglich durch seine Tätigkeit der Gefahr einer Infektion mit Hepatitis B in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt wie die Tätigen im Gesundheitsdienst.
Bei dem anschließend verhandelten Sachverhalt stand die studentische Unfallversicherung im Vordergrund. Klägerin war eine zum Unfallzeitpunkt immatrikulierte Promotionsstudentin aus Sachsen-Anhalt. Ihre Dissertation beschäftigte sich mit der Dokumentation von Veränderungen in der Höhlenbildung durch menschlichen Einfluss im Südharz sowie im südlichen Kyffhäuser. Die Klägerin stürzte am 17. Mai 2015 im Rahmen einer Alt-Bergwerksbefahrung außerhalb des im Zusammenhang mit ihrer Dissertation untersuchten Gebietes. Dabei zog sie sich eine Querschnittssymptomatik zu. Wie schon die Vorinstanzen wies der Zweite Senat des BSG die Klage im Ergebnis ab. Erstmals stellte das BSG allerdings klar, dass Promotionsstudierende zu dem gemäß § 2 I Nr. 8c) SGB VII versicherten Personenkreis der Studierenden während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen gehören. Die versicherte Tätigkeit als Promotionsstudierende müsse allerdings auch im organisatorischen Verantwortungsbereich der Hochschule liegen. Dies sei der Fall, wenn zumindest eine inhaltlich-organisatorische Mitverantwortung bestehe und nicht bloß eine Unterstützungshandlung. Die Klägerin habe ihren Ausflug zum Alt-Bergwerk eigenwirtschaftlich und eigenverantwortlich zur Förderung ihrer Dissertation geplant und ausgeführt. Dabei habe der Doktorvater zwar grundlegend von der Bergwerksbesichtigung gewusst und Material zur Verfügung gestellt. Zeit, Ort und den Kreis der Beteiligten am Ausflug zum Bergwerk habe er jedoch nicht gekannt. Mithin fehle es an der konkreten inhaltlich-organisatorischen Mitverantwortung der Hochschule.
Im Zentrum der dritten mündlichen Verhandlung stand der Fall eines ehemaligen Rettungssanitäters, der im Rahmen des Rettungsdienstes viele traumatische Erlebnisse (zum Beispiel Amoklaufläufe, Suizide und weitere das Leben belastende Erlebnisse) erlebt hatte. Das BSG entschied, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) wegen der besonderen Einwirkungen, denen Rettungssanitäter und Rettungssanitäterinnen gegenüber der übrigen Bevölkerung ausgesetzt sind, als Wie-Berufskrankheit bei dieser Personengruppe anzuerkennen ist. Denn diese Berufsgruppe sei während ihrer Tätigkeit einem erhöhten Risiko der Konfrontation mit traumatisierenden Erlebnissen ausgesetzt. Diese Einwirkungen seinen abstrakt-generell nach dem Stand der Wissenschaft Ursache einer PTBS. Der 2. Senat des BSG hat mit dieser Entscheidung, über die in allen Nachrichtensendungen berichtet worden ist, erstmals eine psychische Erkrankung als „Wie-Berufskrankheit“ anerkannt und somit einen wichtigen Grundstein für die Zukunft gelegt. Eine Endentscheidung erging allerdings noch nicht. Der Fall wurde vielmehr zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Baden-Württemberg zurückverwiesen. Dort sei nun im Einzelfall zu klären, ob der Kläger an einer PTBS leide und ob diese durch seine Arbeit als Rettungssanitäter bedingt wurde.
Nach dem letzten Urteilsspruch hatten wir dann noch die Gelegenheit, Fragen an die haupt- und ehrenamtlichen Richter des 2. Senats des BSG zu stellen. Dabei ging es vor allem um Fragen zum Richterberuf und zu den an dem Tag gehörten Urteilen. Nach diesem Gespräch konnten wir noch die hauseigene Bibliothek des BSG besichtigen und uns mit dem Bestand und der Systematik der Bücheranordnung vertraut machen. Kurz bevor Kassel aufgrund des Unwetters unter Wasser stand, fuhren wir dann mit dem Zug Richtung Hannover. Alles in allem handelt es sich um einen informativen und spannenden Ausflug.
Verfasst von Isabell Dey, Friederike Voigt und Kristin Schneider.
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